Air Defender ist das größte Nato-Manöver in der Geschichte des Militärbündnisses. Im RND-Interview spricht der frühere Nato-General Hans-Lothar Domröse über die Hintergründe solcher Manöver, wie realistisch sie sind und warum keine Zeit für ein gemütliches Beisammensein bleibt.
Seit Montag findet in Deutschland die bisher größte Nato-Übung Air Defender statt. Welches Ziel hat dieses Manöver?
Es ist eine Kooperationsübung der 25 Nationen, die ja nicht jeden Tag zusammen üben können. Man muss sich das vorstellen wie eine Fußballmannschaft, die ständig trainieren muss. Jede Nation hat starke Streitkräfte, aber das Zusammenspiel der Nato-Luftstreitkräfte mit 250 Flugzeugen und unterschiedlichen Strukturen ist wichtig. Deutschland steht als logistische Drehscheibe besonders unter Beobachtung. Wir haben mit dem JSEC (Joint Enabeling Support Command) in Ulm ein Drei-Sterne-Hauptquartier, das die einfliegenden Kräfte im deutschen Raum unter anderem mit Betankung und Munition versorgen muss. Deshalb passt dieses Manöver gut nach Deutschland.
Was kommt nach dem Manöver Air Defender?
Air Defender ist nur ein Teil der Manöver für die Nato-Streitkräfte. Als Joint Force Commander bei der Nato habe ich neben den Luftstreitkräften auch Land-, See-, Spezial- und Cyberstreitkräfte unter mir, die gemeinsam üben müssen. Dafür gab es später die Baltic Operations, kurz Baltops, bei denen in und über der Ostsee verschiedene Szenarien für den Verteidigungsfall trainiert wurden. Beim Fußball würde man sagen, dass die Stürmer lernen, Tore zu schießen, und die Torhüter, Elfmeter zu halten. Das Zusammenspiel der gesamten Mannschaft wird dann in einer Joint-Operation geübt – aber das ist Air Defender nicht.
Schon seit 2018 ist diese Übung für dieses Jahr geplant. Bekommt aber vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges eine neue Relevanz.
Genau, diese Manöver der Luftwaffe sind eine klare Demonstration in Richtung Russland und Kreml: Pass auf Putin, mach keinen Fehler, wir haben unsere Nato-Flanke im Blick und passen auf. Gleichzeitig macht Air Defender die große Bedeutung der Luftwaffe deutlich: Nicht nur für Angriffe und den Luftkampf, sondern auch für Verteidigung und die Aufklärung und die Drohnenabwehr sind Luftstreitkräfte ein wichtiger Teil einer Armee. Sie können blitzschnell eine Operation in Norddeutschland durchführen und zwei Stunden später in den Alpen. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und die 1300 Kilometer lange Frontlinie wird einmal mehr deutlich, warum die Ukraine so dringend westliche Kampfflugzeuge braucht. Auch das Mehrzweckkampfflugzeug F-16, das die Ukraine benötigt und für das bereits ukrainische Piloten ausgebildet werden, ist bei dem Manöver zu sehen.