China hat in dieser Woche den Gewaltherrscher von Belarus, Alexander Lukaschenko, empfangen. Warum eigentlich? Wollte Xi Jinping nur mal dem Westen eine Nase drehen? Oder wurde bei dem Treffen ein Trick besprochen: Waffenlieferungen aus China nach Russland – via Belarus? Geheimdienste sind alarmiert, auch die belarussische Opposition warnt.
Xi Jinping begrüßte den aus dem fernen Minsk angereisten Machthaber Alexander Lukaschenko in Peking auffallend freundlich. „Warmly“ sei man miteinander umgegangen: Diese Vokabel wählte Chinas Staatszeitung „Global Times“ in der englischen Version ihres Berichts über den harmonischen Gipfel der beiden Diktatoren.
Nuancen dieser Art sind wichtig im straff gelenkten Peking: Sie enthalten Botschaften mit Bedeutung über den Tag hinaus.
Regierungen und Geheimdienste im Westen wundern sich jetzt ebenfalls. Wie ist Pekings großer Tusch für Lukaschenko zu erklären?
Dass Xi Jinping sich trotzdem für Belarus interessiert, hat weniger mit Ökonomie zu tun als mit Geografie. Belarus liegt exakt im Brennpunkt der bislang größten Krise des 21. Jahrhunderts. Es grenzt im Osten an Russland, im Süden an die Ukraine und im Norden und Westen an jene Nato-Staaten, die im Fall eines dritten Weltkriegs wohl als erste in die Eskalation hineingezogen würden: die baltischen Republiken und Polen. An einem solchen Ort, klarer Fall, muss China einen Fuß in der Tür haben.
Lukaschenko macht es Xi leicht, vor allem durch sein für einen Europäer ungewöhnlich rustikales Ja zur chinesischen Diktatur. Der Mann aus Minsk brachte es sogar fertig, am Platz des Himmlischen Friedens einen Kranz für die „Helden Chinas“ niederzulegen, gemeint sind damit nicht etwa die mutigen Studentinnen und Studenten, die 1989 einen Aufstand wagten, sondern die Truppen Maos, die Mitte des 20. Jahrhunderts für die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei ihr Leben gaben.
Zufrieden betonte Xi jetzt „die breite Übereinstimmung mit Lukaschenko in Fragen der Menschenrechte“. China schätze „die feste Unterstützung von Belarus für Chinas gerechtfertigte Position im Zusammenhang mit Taiwan, Xinjiang und Hongkong“. Im Klartext: Lukaschenko nervt nicht wie die anderen Europäer, er sieht die Dinge wie Peking.
Tatsächlich war „der alte Freund“ aus Minsk schon immer für Gewaltanwendung zur Sicherung totalitärer Herrschaft. Das gilt bei ihm bis heute, auch in eigener Sache.
Ähnlich wie die chinesische Führung im Juni 1989 ließ Lukaschenko im Sommer 2020 im eigenen Land Zehntausende Oppositionelle niederknüppeln, einsperren und foltern, um seine Macht zu sichern. Belarus bewies dabei eine haarsträubende Brutalität, wie man sie in Europa im 21. Jahrhundert nicht mehr erwartet hatte. Lukaschenkos Schergen ließen, wenn sie Gefangene schlugen, mitunter die Fenster auf Kipp: Die Schreie sollten die örtliche Bevölkerung erschrecken und sie von weiteren Demonstrationen abhalten.